Zugreisende gehen an Zügen der Deutschen Bahn im Münchner Hauptbahnhof vorbei.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Die EVG gibt das Ergebnis der Urabstimmung über den Schlichtungsvorschlag im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn bekannt.

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Kein unbefristeter Bahn-Streik nach EVG-Urabstimmung

Ein unbefristeter Streik bleibt den Bahn-Kunden vorerst erspart. Per Urabstimmung sprachen sich über 50 Prozent der EVG-Mitglieder dafür aus, einen Schlichterspruch anzunehmen. Im Herbst startet aber schon die Tarifrunde mit der Gewerkschaft GDL.

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In einer Urabstimmung haben sich 52,3 Prozent der Mitglieder der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dafür ausgesprochen, den Schlichterspruch im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn von Ende Juli anzunehmen. Sie votierten damit "gegen unbefristete Streiks", wie die Gewerkschaft mitteilte. Rund zwei Drittel (65,3 Prozent) der 110.000 Mitglieder beteiligten sich nach EVG-Angaben an der Abstimmung.

EVG-Chef: "Wir haben einen solidarischen Abschluss"

Der monatelange Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn ist somit beendet. "Damit haben wir einen solidarischen Tarifabschluss, der vor allem den kleineren und mittleren Einkommen ein deutliches Plus zum Teil von über 50 Prozent bringt", sagte EVG-Chef Martin Burkert in Berlin zum Resultat der Urabstimmung. Unbefristete Streiks von der EVG seien nun vom Tisch und die Tarifrunde mit der Bahn erfolgreich beendet.

Die Gewerkschaft hatte angekündigt, den Schlichterspruch bei einer Zustimmung von 25 Prozent anzunehmen, 75 Prozent der Mitglieder hätten also gegen den Schlichterspruch votieren müssen, damit es zu einem unbefristeten Ausstand gekommen wäre.

Tarifstreit dauerte seit Februar an

Die EVG und die Deutsche Bahn steckten seit Ende Februar im Tarifkonflikt, zweimal legte die Gewerkschaft in dieser Zeit mit Warnstreiks den Zugverkehr stundenlang nahezu komplett lahm. Ein dritter Warnstreik wurde vom Arbeitsgericht in Frankfurt am Main verhindert. Nach dem Gerichtstermin kamen die Verhandlungen besser voran, letztlich scheiterten sie aber im Juni. Beide Seiten verständigten sich dann mit zwei Schlichtern auf den nun vorliegenden Kompromiss.

Das bedeutet der Schlichterspruch in Zahlen

Dieser sieht eine Entgelterhöhung von 410 Euro pro Monat in zwei Stufen bei einer Laufzeit von 25 Monaten vor. Die erste Stufe von 200 Euro soll ab Dezember gezahlt werden, die zweite ab August des kommenden Jahres. Zudem sollen alle Beschäftigten eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro im Oktober ausgezahlt bekommen.

Für einzelne Berufsgruppen wurden zudem strukturelle Erhöhungen in den Tariftabellen vereinbart, die nach der Vertragslaufzeit angewendet werden. Die Einkommen von gut 70.000 Beschäftigten werden sich damit noch einmal deutlich erhöhen.

Bahn-Vorstand spricht von einer "guten Nachricht"

Insgesamt handelt es sich um die teuerste Tarifanhebung in der Geschichte der Bahn. Die Laufzeit beträgt 25 Monate. Der Vorstand der Bahn hatte den Schlichterspruch trotz der hohen Kosten schon im Umlaufverfahren akzeptiert, nun zeigte man sich erfreut über das Urabstimmungsergebnis: "Es ist für alle eine gute Nachricht, dass wir in diesen herausfordernden Zeiten eine Tarifeinigung erzielt haben. Mit diesem Abschluss erkennen wir die exzellente Leistung unserer Mitarbeitenden an. Auch wenn er uns wirtschaftlich sehr viel abverlangt", sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler.

Der Weg zur Einigung sei anspruchsvoll gewesen, sagte Seiler, "aber insgesamt gibt es jetzt eine gute Lösung. Unsere Mitarbeitenden bekommen endlich mehr Geld, wir haben wieder Planungssicherheit und unsere Fahrgäste ebenfalls". Wie teuer der Abschluss genau kommt, hat der Konzern noch nicht mitgeteilt. Das letzte, allerdings niedrigere Angebot, summierte sich bereits auf 1,3 Milliarden.

Ergebnis über 50 Prozent galt nicht als sicher

Bei der EVG hatte es trotz der hohen Zuwächse Sorgen gegeben, dass nicht allzu viele Mitglieder bei der Urabstimmung für die Schlichtungsempfehlung votieren würden. Ein Ergebnis über 50 Prozent galt zuletzt nicht als sicher. In den vergangenen Wochen hatten viele Mitglieder im Internet betont, dass sie mit dem Schlichtungsergebnis nicht einverstanden sind. Die Verhandlungsführer wurden zum Teil sehr deutlich kritisiert. Gewerkschaftskreisen zufolge hatten sich vor und während der Urabstimmung auch einige große Landesverbände skeptisch zum Schlichtervorschlag geäußert.

EVG hatte die Erwartungen hochgeschraubt

Die EVG war mit der Forderung nach 650 Euro mehr für die 180.000 Beschäftigten bei 12 Monaten Laufzeit in die Verhandlungen gegangen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen - der Schlichterspruch erfüllte diese sicher nicht bei allen. Das Ergebnis mit mehr als 50 Prozent Zustimmung gibt den Verantwortlichen aber zumindest die Sicherheit, dass die Schlichtung mit einer Mehrheit der Abstimmungsteilnehmer im Rücken unterschrieben werden kann. Die Wahlbeteiligung lag bei 65,3 Prozent.

GDL kann nachlegen - Streiks könnten drohen

Mit Blick auf die kommenden Monate droht aber neuer Ärger: Der große Konkurrent der EVG, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) mit Claus Weselsky an der Spitze, könnte bald mit einem womöglich besseren Tarifabschluss auftrumpfen. Zwischen der GDL und der DB gilt noch bis Ende Oktober Friedenspflicht, ab November wird dann über einen neuen Tarifvertrag verhandelt. Unter den EVG-Abschluss wird sich Weselsky dabei absehbar nicht drücken lassen.

Weselsky will für seine Leute 555 Euro mehr pro Monat erreichen sowie eine Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden. Auch eine Inflationsausgleichsprämie gehört zu seinen Forderungen, der Tarifvertrag soll nach seiner Vorstellung zwölf Monate laufen. Weselsky steht für eine offensive Gangart bei Tarifverhandlungen - Warnstreiks sind dann wieder möglich.

Die EVG hat einen klaren Größenvorteil

Ob EVG-Mitglieder nach einem guten GDL-Deal möglicherweise die Gewerkschaft wechseln, hängt aber noch von weiteren Faktoren ab. Die EVG hat in den allermeisten DB-Betrieben eine Mehrheit - dementsprechend wird dort das Tarifwerk dieser Gewerkschaft angewendet. Nach EVG-Tarifvertrag werden derzeit rund 180.000 DB-Beschäftigte bezahlt, nach GDL-Tarif nur gut 8.000.

Mit Informationen von dpa

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