Carsharer wie MILES bauen ihre Elektroflotte ab statt auf
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Carsharer wie MILES bauen ihre Elektroflotte ab statt auf

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E-Mobilität und Autovermietung: Es wird noch schwieriger

Für mehr Elektromobilität ist die Flottenpolitik von Autovermietern und Carsharing-Anbietern sehr bedeutsam. Doch im Gebrauchtwagen-, Urlaubs- und Dienstreisegeschäft zeigen sich die betriebswirtschaftlichen Hürden für den politisch erhofften Wandel.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Geht es um den Ausbau der E-Mobilität im Flottenbestand, ist bei Autovermietern und Carsharing-Anbietern Ernüchterung eingekehrt. Zuerst 100.000 Teslas bestellt, dann Millionenverluste gemacht und nun E-Autos aus der Mietwagenflotte verbannt - so ist Hertz zum Negativbeispiel für die gesamte Branche geworden. Hiobsbotschaften auch von der Sixt AG, die in ihrem Geschäftsbericht für 2023 [externer Link] eine Ergebnisbelastung durch E-Mobilität von rund 40 Millionen Euro ausweist.

Hindernisse auf dem Weg zu mehr E-Mobilität

Die Gebrüder Sixt, die informell als Sprachrohr der gesamten Branche wahrgenommen werden, bezeichnen darin Elektroautos ohne Buyback- oder Leasing-Vereinbarungen als betriebswirtschaftliche "Risiko-Fahrzeuge". Deren Ausflottung wurde daher vorgezogen. Den aktuellen globalen E-Auto-Anteil von Mietwagen und im Carsharing will Sixt auf BR24-Anfrage "aus Wettbewerbsgründen" nicht nennen. Faktum ist, dass 2023 lediglich sechs Prozent reine Elektroautos in der Flotte fuhren, weitere zwölf Prozent waren Hybride.

Damit ist die Branche ein Spiegelbild der gesamten Autoindustrie, die Nachfrageeinbrüche bei E-Autos zu beklagen hat. Jüngste Negativbeispiele sind Tesla (Gewinneinbruch im ersten Quartal 2024) oder Fords Verluste in seiner "Model e"-Sparte [externer Link] (4,7 Milliarden Dollar in 2023 und 1,3 Milliarden Verlust allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres).

Risiko Gebrauchtwagenmarkt

Weil der Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos nicht in die Gänge kommt und unverkäufliche Elektro-Neuwagen mit enormen Preisnachlässen gehandelt werden müssen, schauen die Autovermieter mit Sorge auf die Restwerte ihrer E-Flotte. Fahrzeuge, die nach der typischen Laufzeit von sechs bis neun Monaten nicht wie kalkuliert abzusetzen sind, stehen als Verlustbringer in den Büchern. Und Besserung ist nicht in Sicht. Die DAT Deutsche Automobiltreuhand prognostiziert in ihrem Branchenreport [externer Link] weiter sinkende Restwerte für große und kleine E-Autos auf nur noch gut 50 Prozent des Anschaffungspreises.

"Solche Negativerfahrungen mit E-Autos machen extrem vorsichtig bei Neukäufen", sagt Michael Brabec vom Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. Hinzu kommen erhebliche Investitionen für die Ladeinfrastruktur und höhere Reparaturkosten sowie Einnahmeausfälle durch längere Standzeiten.

Unternehmen verweisen auf zögerliche Kunden

Aber auch wenn die Autovermieter erkennbar aufzurüsten versuchen, bleiben riesige Hürden auf der Nachfrageseite, die momentan fast unüberwindbar scheinen.

Eine Umstellung der Fuhrparks sei erst dann zu erwarten, wenn die Kunden vermehrt E-Autos anfragen. Brabec nennt eine Reihe von unzureichend beantworteten Fragen, die mietwillige Kunden zögern lassen: Finde ich in meiner Nähe freie und gut funktionierende Lademöglichkeiten? Welche Kosten habe ich beim Laden, heute und in Zukunft? Wie fährt sich ein Elektrofahrzeug? Welches ist für mich geeignet? Wie ist es auf längeren Strecken? Wie schnell komme ich mit mehreren Zwischenstopps vorwärts? Was ändert sich bei niedrigen Temperaturen im Winter?

Mietpreise als weiteres Hindernis

Diese teilweise offenen Fragen dürften, so Autovermieter-Lobbyist Brabec, ein Hindernis für viele grundsätzlich Interessierte sein. Hinzu kommt: Elektrofahrzeuge sind auch als Mietwagen nicht billiger als vergleichbare Verbrenner.

Dies bestätigte schon eine kleine, spontane BR24-Preisrecherche bei zwei Stationen in München. Autovermieter AVIS verlangte für den Mietzeitraum vom 19. auf den 20. April für einen Fiat 500 97,12 Euro Grundpreis, ein vergleichbarer Fiat 500 eCabrio kostete beim E-Mobil Spezialanbieter nextmove 135,45 Euro. Das gleiche Bild im höheren Segment: Für einen BMW 2 Series zahlte man bei AVIS für den genannten Zeitraum 162,86 Euro, bei nextmove für ein vergleichbares Tesla Modell Y hingegen einen Grundpreis von rund 230,85 Euro.

Geschäftsführer Stefan Moeller verweist auf die grundlegend andere Tarifstruktur von reinen E-Autovermietern wie nextmove. Hier gelte für die Mietpreise "je länger, desto günstiger". Zudem könnten sich die Kunden ihre Wunsch-Modelle individuell aussuchen - anders als bei den etablierten großen Anbietern, für die E-Autos laut Moeller eher eine Feigenblatt-Funktion haben.

Auch reine Carsharer zaudern

Bei reinen Carsharing-Anbietern sieht die Lage auf den ersten Blick etwas besser aus. Zwar stieg der Anteil der "batterieelektrisch angetriebenen" Fahrzeuge laut Verbandsmitteilung auf 17,8 Prozent [externer Link]. Weil zugleich jedoch auch der Anteil der reinen Verbrenner stark wuchs, sank der prozentuale Anteil von Stromern an der Gesamtflotte sogar um 2,5 Prozent.

Die Branche sieht sich zwar als Vorreiter, stößt aber nach Aussagen ihres Bundesverbandes bcs an Grenzen. Die Förderung der Ladeinfrastruktur sei einseitig auf private Pkw ausgerichtet. "Die Bundesregierung muss mit einem Förderkonzept für die Ladeinfrastruktur öffentlich zugänglicher Sharing-Angebote endlich Abhilfe schaffen", so bcs-Geschäftsführer Gunnar Nehrke. Das Problem aus Carsharing-Kundensicht ist hier so simpel wie schwer lösbar: Man weiß nie, wie voll der Vorgänger den Akku nachgeladen hat. Beim Autovermieter ist bei Übernahme immer vollgetankt.

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Die deutsche Alpenstraße will zum Best-Practice-Beispiel für E-Auto-Tourismus werden

Tourismus als Beispiel für den schwierigen Wandel

Aber gerade in Urlaubsregionen wie Bayern, wo Ruhe und Umweltqualität von Anbietern und Gästen gleichermaßen gewünscht werden, sollte E-Mobilität sich mit all seinen Vorteilen doch durchsetzen. Doch das ist nach wie vor nicht der Fall.

Fragt man Praktiker auf der Deutschen Alpenstraße, werden die Gründe schnell sichtbar. "Gäste leihen sich deshalb kein E-Auto aus, weil sie ja ein eigenes Auto dabei haben. Ganz simpel!", sagt der Allgäuer Hotelier Andreas Eggenberger, E-Mobilitätspionier der ersten Stunde. Sein Füssener Hotelbetrieb unterstützt die Anreise der Gäste mit der Bahn, die kostenfreie Abholung vom Bahnhof und die Bereitstellung von eigenen E-Mobilen und E-Bikes für gezielte Aktivitäten.

Doch die Regel sind solche Einzelfälle eben nicht, wie der Blick nach Reit im Winkl am anderen Ende der Alpenstraße zeigt. Dort ist sogar das Tourismusamt selbst vom Elektro-Dienstwagen wieder auf Verbrenner umgestiegen, weil der Winter in den Bergen zur Herausforderung wurde. Einige wenige E-Autos mieten kann man erst im 60 Kilometer entfernten Rosenheim. Dabei hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Im Ladeatlas Bayern [externer Link] sind laut Kompetenzstelle Elektromobilität [externer Link] momentan rund 2.400 öffentliche und private Ladepunkte im 20-Kilometer-Radius an der Alpenstraße verzeichnet.

Dennoch tun sich laut Buchungsplattform holidu vor allem ausländische Touristen schwer, "da sie sich ungern im Urlaub mit Ladeinfrastruktur, Zugängen und Bezahlmöglichkeiten beschäftigen wollen", so eine Sprecherin gegenüber BR24.

Daher liegt momentan die Hoffnung auf speziell strukturierten E-Mobil-Angeboten, die individuelles Reisen verknüpfen mit E-Auto-Garantie, ausgearbeiteten Etappen und vorausgebuchten Hotels mit Ladestationen. Immerhin äußert sich der Reiseveranstalter "Dertour" auf BR24-Anfrage mit seinen zwei Alpenstraßen-Angeboten zufrieden, will diese fortführen und plant sogar den Ausbau anderer Destinationen.

Dienstreisende mit anderem Nutzerprofil

Der zweite bedeutende Testfall für mehr E-Mobilität bei Autovermietern ist das Dienstreise-Geschäft. Liest man in einschlägigen Foren die Nutzerkommentare, kommt man zu ernüchternden Ergebnissen. Zu den üblichen Bedenken wie Reichweitenangst und fehlenden Anhängermöglichkeiten gesellt sich in diesem Segment noch der Zeitdruck vieler Geschäftsreisender. Unkalkulierbare Ladezeiten bei Rückgabe am Flughafen sind ebenso ein Stressfaktor wie fehlende Ladesäulen und Hotels mit miserabler Internetanbindung. Auch die Lust manches Dienstreisenden, im Flächenland Deutschland mal mit dem Mietwagen so richtig aufs Gaspedal zu treten und München-Hamburg mit 180 km/h zu fahren, könnte zur Zurückhaltung bei E-Mietwagen beitragen. Dabei kann die Miete eines Elektroautos erste Erfahrungen mit Elektromobilität im eigenen Umfeld vermitteln und so Vorurteile abbauen - oder bestätigen.

Der Verband der Autovermieter sieht sich hier als wichtiger "Katalysator", fordert mehr Unterstützung von der Politik in Form von Subventionen und kritisiert in diesem Zusammenhang scharf das Ende der Flottenförderung bei der Beschaffung von Elektrofahrzeugen. "Im Gegenteil sollte es das Ziel der Politik sein, dass jeder Interessierte zum Beispiel mit einem Gutschein einen Miettag Elektroauto fahren kann", so Autovermieter-Lobbyist Michael Brabec. Denn die Autovermieter haben ja E-Mobile, die sie auf die Straße bringen möchten. Dabei unterstützt die Branche laut Brabec ein Überdenken des Verbrennerverbots. Alternative Kraftstoffe wie E-Fuels kämen der Flotte zugute, sorgten für mehr Zeit und weniger Preisdruck beim Aufwuchs des E-Autoangebots der Vermieter. Brabecs Fazit: "Wir werden uns nicht verweigern, aber müssen am Ende Geld verdienen."

Fazit: Es fehlen einfache und günstige Mietmöglichkeiten

In der Mietwagenbranche zeigt sich wieder einmal das "Henne und Ei"-Problem der E-Mobilität. Solange Urlauber oder Dienstreisende nicht die Angebote bekommen, die sie vom Verbrenner kennen, schwächelt die Nachfrage. Und solange die Nachfrage nicht in Gang kommt, sträuben sich die Anbieter aus betriebswirtschaftlichen Gründen, mehr E-Mobile ins Angebot zu nehmen. Nicht zuletzt die Autobauer könnten hier helfen, indem sie nicht vorrangig auf margenstarke Großmodelle setzen, sondern auch viel mehr kleine, bezahlbare E-Autos bauen.

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