Symbolbild: unscharf fotografierte Menschen in einem Tunnel.
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Werden Straffällige immer jünger?

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Resozialisierung: Aus der Straffälligkeit zurück ins Leben

Die Vorfälle in Freudenberg und Wunsiedel mit je einem toten Mädchen und verdächtigten Kindern regen zum Nachdenken an. Einzelfälle oder werden Täter immer jünger? Das Straffälligenhilfe-Netzwerk Ansbach arbeitet mit straffälligen Jugendlichen.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Das erste Mal war Domenic R. 13 Jahre alt, als er straffällig wurde. "Ladendiebstahl", berichtet der heute 25-Jährige. Das zog sich durch seine gesamte Jugend: "Körperverletzung, Leute bedroht, Drogenhandel". Er lebte sogar drei Jahre auf der Straße. Heute ist er zwar noch auf Bewährung, doch auf dem besten Weg, sein altes Leben hinter sich zu lassen. Das Straffälligenhilfe-Netzwerk Ansbach unterstützt ihn dabei.

Familienersatz für Jugendliche

Melissa Grocholla ist Sozialpädagogin und kennt Domenic seit er von eineinhalb Jahren zum Netzwerk kam. Sechs Stunden pro Wochen treffen sich die beiden für Beratungsgespräche. Bei ihr fühlt sich der junge Mann wohl, er kann ihr alles erzählen und ihr vertrauen. "Besonders auch bei jungen Klienten sind wir ein Familienersatz", erklärt Melissa Grocholla, selbst noch eine junge Frau. Sie arbeitet seit vier Jahren in beim Straffälligenhilfe-Netzwerk in Ansbach, ihre Kollegin Jana Schallenmüller seit fast zehn. Was das Netzwerk ausmacht: Sie bieten eine niederschwellige Beratung an, ohne strenge Vorschriften. Die kann vom Gericht angeordnet oder ganz freiwillig sein. Das sei eine ganz andere Hilfestellung als die eines Bewährungshelfers, den man alle paar Wochen aufsuchen muss, sagt Jana Schallenmüller.

Gewaltpotenzial Jugendlicher steigt

Vor allem der Vorfall in Freudenberg im März, als ein 12-Jähriges Mädchen von ihren Freundinnen im Wald erstochen wurde, und kurze Zeit später der Vorfall in Wunsiedel mit einem toten 10-jährigen Mädchen, woraufhin schnell ein Junge verdächtigt wurde, regten zur Diskussion an. Darauf angesprochen, ob die Sozialpädagoginnen beobachten, dass Kinder oder Jugendliche straffälliger geworden sind, antwortet Jana Schallenmüller: "Es steckt mehr Gewaltpotential dahinter, der Respekt ist vielleicht nicht mehr so da und es geht zum Trend, dass die Leute jünger werden, würde ich sagen."

Strafmündigkeit schon unter 14 Jahren

Die beiden Sozialpädagoginnen würden sich wünschen, dass Strafverfahren schneller abgewickelt werden, damit Jugendliche früher in ein Hilfsnetzwerk kommen und dann weitere Straftaten verhindert werden. Noch mehr verhindern würde aber in Jana Schallenmüllers Augen, das Alter für Strafmündigkeit auf elf oder zwölf Jahre abzusenken. Das sind auch Diskussionen in der Politik, die nach den Vorfällen in Freudenberg und Wunsiedel laut wurden. Auch Melissa Grocholla fände das sinnvoll, weil Jugendliche mit 16 Jahren oft schon viele Jahre an Kriminalität hinter sich hätten: "Es ist teilweise viel zu spät, bis die Jugendlichen angebunden werden an ein Netzwerk."

LKA Bayern bestätigt: Jünger und gewalttätiger

Die Vermutung der Betreuungshelferinnen im Straffälligenhilfe-Netzwerk belegen Zahlen des Landeskriminalamts Bayern. Straftaten allgemein nahmen bei Kindern vor allem im Alter zwischen 10 und 14 Jahren zu (vor allem zwischen 12 und 14 Jahren um 41 Prozent). Speziell bei der Gewaltkriminalität (dazu zählt laut LKA Bayern unter anderem Mord, Totschlag, Raub, Erpressung, Körperverletzung mit Todesfolge) stieg bei den 12- bis 14-Jährigen die Anzahl von 510 im Jahr 2021 auf knapp 700 Delikte im Jahr 2022 an – das entspricht 36 Prozent. Rohheitsdelikte und Straftaten (laut LKA Bayern Raubdelikte, räuberische Erpressung, Körperverletzung oder Bedrohung) sind in der gleichen Altersgruppe um über 50 Prozent auf 1.750 Fälle gestiegen.

Strafmündig ist man ab 14 Jahren. Auffällig ist hier der Anstieg der gesamten Straftaten im Alter bis 16 Jahre – von 2021 auf das Jahr 2022 um 24 Prozent. Dabei nahm vor allem die Gewaltkriminalität zu – um 30 Prozent auf knapp 1.300 Fälle. Bei Rohheitsdelikte wurden in dieser Altersgruppe knapp 2.800 gemeldet, ein Anstieg von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Weg in "normales" Leben

Domenic R. ist froh, Hilfe vom Straffälligenhilfe-Netzwerk Ansbach zu bekommen. Es geht ihm besser. Im Januar ist er sogar vom Wohnheim des Netzwerks in eine eigene Wohnung gezogen. Er ist dankbar für das, wo er heute steht und offen, seine Geschichte zu erzählen: "Weil ich zu meinen Sachen stehe."

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