Ein Biber schaut aus dem Wasser
Bildrechte: Privat

Jahrelang hat der Biber bei Hochstein für Probleme gesorgt - jetzt haben Naturschützer ihn ausgetrickst und er kann dort weiterleben.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Naturschützer tricksen Biber aus - und verhindern Abschuss

Biber sind streng geschützt. Dennoch sind sie vielerorts nicht gern gesehen – wegen ihrer unermüdlichen Bautätigkeit. Allerdings bauen Biber aus bestimmten Gründen. Das hat man sich im Landkreis Dillingen zunutze gemacht und das Tier ausgetrickst.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Seit Stephan Herreiner 2019 zum Bürgermeister gewählt wurde, beschäftigt ihn der Biber. Inzwischen sind es sogar zwei Biber, die im Regenrückhaltebecken oberhalb vom Bissinger Ortsteil Hochstein im Landkreis Dillingen leben. Und die wurden zum Problem für die Gemeinde: "Als er eine Familie gebildet hat, dann ging es los mit dem permanenten Aufstau. Extrem und auch haftungsrechtlich kritisch ist es dann geworden, als das Wasser so hoch stand, dass es über den Weg gelaufen ist", erzählt Bürgermeister Herreiner. Die Folge: Bauhofmitarbeiter mussten alle paar Wochen die Bauten des Bibers entfernen und den Gully freiräumen. Kostenpunkt: Jedes Mal zwischen 100 und 200 Euro.

Naturschützer wollen Abschuss des Bibers verhindern

Das Becken darf nämlich nicht volllaufen: Es soll bei Unwettern die tiefer gelegene Gemeinde Hochstein schützen, indem es Wasser, das vom Hang herabläuft, auffängt. Das ist natürlich nur möglich, wenn Platz im Becken ist. Weil durch das Becken ein kleiner Bach läuft, darf der Ablauf nicht verstopft werden. Die Gemeinde hat deshalb einiges versucht, um den Biber loszuwerden. "Wir hatten den bayerischen Biberbeauftragten da, es gab diverse Gesprächsrunden im Rathaus, aber alles, was wir versucht haben, hat der Biber wieder konterkariert", erinnert sich Bürgermeister Herreiner.

Letztendlich hat das Landratsamt eine Fang- und Abschussgenehmigung für die Tiere erteilt. Fast wäre es so weit gekommen. Dann aber schritten Mitglieder der Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN) ein. Sie waren bei Recherchen auf der Suche nach einer Lösung des Problems auf amerikanische Studien zu sogenannten "Bibertäuschern" gestoßen.

Biber baut, um seine Burg zu schützen

"Wir machen es uns zunutze, dass der Mensch intelligenter ist als der Biber", erklärt Naturschützerin Heike Hoedt mit einem Augenzwinkern. Der Biber baue ja nicht um des Bauens willen, erklärt sie. Ziel des Bibers ist es, den Eingang zu seiner Burg, also seiner Wohnung, unter Wasser zu halten, damit Feinde wie der Fuchs nicht eindringen können. Deshalb war der Gully dem Biber auch ein Dorn im Auge: Das Tier hatte die Strömung gespürt, und auch gehört, dass dort Wasser abfließt – Reize, die den Biber dazu veranlassten, zu bauen. Er wollte verhindern, dass der Wasserspiegel sinkt. Deshalb baute er den Gully immer wieder zu und verstopfte den Ablauf mit Schlamm und Ästen.

Bibertäuscher unterbricht Baureiz des Bibers

Die Naturschützer haben nun drei Dinge getan: Zum einen haben sie um den Gully einen Drahtkäfig mit Boden gebaut, sodass der Biber gar nicht mehr bis zum Ablauf kommt. Um aber auch den Drang des Bibers, dort alles zu verstopfen, zu reduzieren, haben sie zusätzlich am Gulli ein Rohr angebracht, das einige Meter weiter im Becken endet. Das Rohr ist durchlöchert, dadurch dringt das Wasser an vielen Stellen ein. Es entsteht also gar kein Sog in Richtung Gully, der den Biber dazu veranlassen würde, wieder zu bauen. Das Ende des Rohrs ist ebenfalls mit einem Metallkäfig umgeben, zur Sicherheit, denn dort entsteht ja dennoch eine gewisse Strömung. Das Wasser ist und bleibt jetzt etwa 80 Zentimeter tief – und das brauche der Biber, um zufrieden zu sein.

Maßnahmen schützen auch andere Tiere

Seit einigen Wochen ist die Situation jetzt so und, das bestätigt auch Bürgermeister Stephan Herreiner, seine Bauhofmitarbeiter hätten nicht mehr ausrücken müssen. Für die Naturschützer geht es bei der Maßnahme dabei um weit mehr als "nur" um die beiden Biber: Jedes Mal, wenn der Auslass wieder frei gemacht worden war, sei das Wasser nur so "rausgerauscht". Für viele Lebewesen in einem solchen Biotop, wie Frösche und andere Amphibien, sei das eine Katastrophe. Sinkt der Wasserspiegel außerdem schnell, vertrocknet auch der Laich, der von den Tieren meist am Gewässerrand ablegt wird.

Bildrechte: BR, Judith Zacher
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Der Bibertäuscher: links der Auslauf, rechts der Käfig um das Schlauchende.

Bibertäuscher von amerikanischer Firma

Prinzipiell würde diese Methode in dieser oder leicht abgeänderter Form auch für Fließgewässer funktionieren. Die bei Hochstein umgesetzte Variante sei für alle Wasserdurchlässe geeignet. Sie hätten auch Kontakt mit der US-amerikanischen Firma aufgenommen, die die Bibertäuscher bereits zigfach installiert habe. Dort habe man ihnen gesagt, dass es in Deutschland oder Bayern ihrer Kenntnis nach kein Referenzprojekt gebe, so die Naturschützer. "Wir können hier offenbar zum ersten Mal zeigen, dass es funktioniert", sagt Heike Hoedt stolz. Sie ist sich sicher: Solche Bibertäuscher könnten die Situation an vielen Orten entspannen.

Abschussgenehmigungen für Biber gibt es nur in Einzelfällen

Im Landkreis Dillingen gibt es laut Unterer Naturschutzbehörde derzeit etwa 120 Biberreviere, in denen je drei bis fünf Tiere leben. Wo sie zu viele Probleme verursachen, kann im Einzelfall eine Genehmigung für den Abschuss erteilt werden. Derzeit ist das an neun Stellen im Landkreis der Fall. Vorher werde allerdings geprüft, ob der Biber, sofern er gefangen wird, anderswo, etwa in einem Zoo, abgegeben werden kann, so die Untere Naturschutzbehörde weiter. Einzelne gefangene Biber aus Bayern wurden im Jahr 2023 auch nach Großbritannien exportiert, in diesem Jahr sollen Biber für ein Ansiedelungsprojekt in Griechenland abgegeben werden. Im Jahr 2022 lagen die von Bibern in Bayern angerichteten Schäden in der Land- und Forstwirtschaft bei 22.500 Euro. Zu gut 80 Prozent wurden sie vom Freistaat entschädigt.

Naturschützer: Biber hält das Wasser in der Landschaft

Den Biber nicht als Feind, sondern als nützlichen Helfer zu sehen: Dafür plädiert auch Thomas Hefele, zweiter Vorsitzender der Dillinger Kreisgruppe des Bund Naturschutz. Man sehe beim Biber immer nur die Schäden, sagt er: "Aber dass er Biber unseren Wasserhaushalt eigentlich kostenlos wieder ins Gleichgewicht bringt, wenn man ihm nur seinem Platz lässt, das will keiner sehen". Heike Hoedt nickt: Gerade in Zeiten des Klimawandels brauche man den Biber, denn er halte das Wasser in der Fläche. "Und es ist doch besser, es versickert hier, in unser Grundwasser, und fließt nicht weiter ins Schwarze Meer". Davon, ist die Naturschützerin überzeugt, würde auch die Landwirtschaft profitieren.

Bürgermeister Stephan Herreiner ist seine "Bibersorgen" zumindest an diesem Gewässer erst mal los – möglicherweise, meint er. Am Hochsteiner Regenrückhaltebecken will er jetzt eine Infotafel anbringen, die das Projekt erklärt. Vielleicht wird es dann bald mehr solche "Bibertäuscher" geben.

Dieser Artikel ist erstmals am 17. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!