Martin Hagen, bayerischer FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2023, beim Landesparteitag am 18.03.23.
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Martin Hagen, bayerischer FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2023, beim Landesparteitag am 18.03.23.

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Mister Optimismus: Martin Hagens komplizierte FDP-Mission

Martin Hagen hätte auch bei der SPD landen können, wie sein Vater. Aber er steht als FDP-Spitzenkandidat jetzt vor seinem vielleicht schwierigsten Projekt – seine Partei im Landtag zu halten. Oder sogar in die Regierung zu bringen. Ein Porträt.

Eine Eventlocation im Norden Münchens, Mitte Juni: Martin Hagen setzt sich in einen silbernen Wagen, fährt los. Das Gefährt ist ein DeLorean DMC-12, bekannt aus dem Film "Zurück in die Zukunft". Nach ein paar Metern hält Hagen vorsichtig an, grinst beim Aussteigen in die Kameras. Geparkt hat er vor einem riesigen Plakat, auf dem "Servus Zukunft" zu lesen ist. Der FDP-Politiker stellt an diesem Tag die Kampagne seiner Partei für die Landtagswahl am 8. Oktober vor. Kernbotschaft: Die Liberalen wollen für Reformen stehen, für ein modernes Bayern. Und sie wollen ab Herbst mitregieren.

Verkörpert wird dieser Optimismus durch den Spitzenkandidaten: Martin Hagen, Landes- und Fraktionschef der bayerischen FDP. Die Kampagne ist ganz auf ihn zugeschnitten. Nach den etwas hölzern abgelesenen Worten der Werbeagentur-Verantwortlichen übernimmt er die Show. Hagen ist einer der besten Redner in der Landespolitik, Auftritte wie dieser liegen ihm. Er kritisiert die Bilanz der aktuellen Staatsregierung, teilt besonders gegen die Freien Wähler aus. Seine Sätze sind kurz und prägnant genug, um auch als Social-Media-Schnipsel zu funktionieren.

FDP-Plakat: "Unsere Fachkraft ist schon da"

Auf einem der Plakate, vor denen Hagen spricht, steht neben einem Foto von ihm: "Alle wollen jetzt Fachkräfte holen. Unsere ist schon da." Eine Anspielung auf Hagens Herkunft: geboren 1981 im italienischen La Spezia als Sohn deutscher Eltern, zwei Jahre später mit der Familie umgezogen in den Landkreis Rosenheim, tiefstes Oberbayern. Nach dem Abitur studiert er in München Politikwissenschaft, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Psychologie. Dann arbeitet er einige Jahre in Berlin als Unternehmensberater.

Wo er sich politisch verortet, ist da schon klar: Mit 17 Jahren geht Hagen zu den Jungen Liberalen, dem FDP-Nachwuchs, deren Landesvorsitzender er später wird. "Für mich war immer klar: Mir sind Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung wichtige Werte", sagt Hagen. Eines seiner Vorbilder ist Guido Westerwelle. Der habe die Positionen der FDP "sehr markant, sehr pointiert vorgetragen". Und er sei gut darin gewesen, "die kleine FDP in der Öffentlichkeit wirken zu lassen".

Hagens Aufgabe: Die kleine FDP wirken lassen

Im bayerischen Landtagswahlkampf 2023 ist genau das Hagens Aufgabe: Die im Freistaat eher kleine FDP wirken lassen. Umfragen sehen die Partei im kritischen Bereich der Fünf-Prozent-Hürde. Beim BR24 BayernTrend Mitte Mai waren es vier Prozent, Mitte September drei Prozent. Es dürfte, wenn die heiße Wahlkampfphase keinen FDP-Höhenflug bringt, ein extrem enges Rennen werden.

"Es wäre das erste Mal seit 45 Jahren, dass der FDP zweimal hintereinander der Einzug ins Parlament gelingt", sagt Hagen. "Und ich glaube, die Voraussetzungen dafür stehen gut." Man wolle viel gestalten, die Freien Wähler als Koalitionspartner der CSU ablösen. Die Liberalen setzen auf die Themen Wirtschaft und Bildung, fordern eine grundlegende Schulreform. Dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sein Bündnis mit den Freien Wählern fortsetzen will, macht die Sache freilich nicht leichter.

Eine weitere Herausforderung ist Hagens Bekanntheit. Zwar genießt er im Landtag einen guten Ruf, gilt als verlässlich bei fraktionsübergreifenden Absprachen. Aber gleichzeitig konnten oder wollten 67 Prozent der Befragten beim BayernTrend zuletzt nicht sagen, wie zufrieden sie mit seiner Arbeit sind. "Die mangelnde Bekanntheit ist ein Problem, das die Oppositionsparteien in Bayern alle teilen", sagt Hagen. Man werde nun mal nicht auf einen Schlag bekannt, sondern durch kontinuierliche Arbeit. Übers Scheitern denke er nicht nach. Dazu muss man sagen: Es wäre in seiner Zeit an der FDP-Spitze eine neue Erfahrung für ihn.

Hagen sieht FDP als Ampel-Korrektiv

Hagen hofft, dass landespolitische Themen die Wahl in Bayern entscheiden – nicht die bundespolitische Großwetterlage. Die Ampel-Beteiligung seiner Partei an der Bundesregierung begleitet er nicht ablehnend, aber kritisch. Bei der Demonstration in Erding Mitte Juni, auf der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger vom Zurückholen der Demokratie sprach, war Hagen einer der Redner. Er kritisierte das inzwischen angepasste Heizungsgesetz der Ampel, verkaufte die FDP als Korrektiv. Nicht immer wirkt das logisch: Einerseits die Ampel-Politik loben – und sie andererseits attackieren.

Als FDP-Landeschef schaltet sich Hagen in bundesweite Debatten ein, ist auch im Bundesvorstand. Wie wäre perspektivisch ein Wechsel nach Berlin, wo er vor vielen Jahren bereits mal Pressesprecher der Bundestags-FDP war? Er habe keine bundespolitischen Ambitionen, würde als Familienvater nicht gerne in die Hauptstadt zurückziehen, sagt Hagen. "Solange der bayerische Wähler und die bayerische Wählerin mir die Gelegenheit gibt, Landespolitik zu machen, mache ich das mit großer Begeisterung."

"Wir haben immer viel über Politik diskutiert"

Aufgewachsen ist Hagen in einem politischen Elternhaus, vor allem wegen seines Vaters. Der ist langjähriges SPD-Mitglied, laut Hagen im konservativ-bürgerlichen Lager der Sozialdemokraten. "Wir haben immer viel über Politik diskutiert", sagt er. Für ihn sei die SPD aber nie in Frage gekommen, auch wegen deren "sozialer Gleichmacherei".

Stattdessen macht Hagen Karriere in der FDP, arbeitet sieben Jahre als Hauptgeschäftsführer in Bayern. 2018 gewinnt er, bestens vernetzt, die innerparteiliche Wahl zum Landtagswahl-Spitzenkandidaten. Mit 5,1 Prozent gelingt die Rückkehr ins Parlament, nach einem Abend voller Nervenkitzel.

Wobei: Hagen kennt die wirklich schwierigen Seiten des Lebens, existenzieller als Wahlergebnisse. Zweimal überwindet er Hodenkrebs, zuletzt 2020. Auf seine Initiative hin entscheidet der Landtag vor einigen Jahren, Menschen bei der medizinischen Kinderwunsch-Hilfe finanziell zu helfen. Ein ungewöhnlicher Erfolg für die kleinste Oppositionsfraktion. Und ein persönlicher für Hagen, der den harten Weg ungewollt kinderloser Paare kennt. Inzwischen haben seine Frau und er zwei Töchter.

FDP und 1860: Hagen "folgt seinem Herzen"

Jetzt naht die Landtagswahl. Längst ist Hagen im Wahlkampfmodus, spricht auf Bühnen, bespielt die sozialen Netzwerke. Schon seine Rolle als FDP-Spitzenkandidat fordert ihn stark, aber dann ist da ja noch sein eigenwilliger Lieblings-Fußballverein: 1860 München. Wie viele Herausforderungen kann ein Mensch brauchen? Hagen grinst. "Es zeigt, dass ich niemand bin, der dem Erfolg hinterherläuft – sondern seinem Herzen folgt."

Sowohl beim Fußball als auch in der Politik gebe es in seinem Fall Auf und Ab. "Aber den Umgang mit Niederlagen zu lernen, das schult den Charakter."

Landtagwahl in Bayern: FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen im TV-Porträt:

Landtagwahl in Bayern: FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen im TV-Porträt
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Landtagwahl in Bayern: FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen im TV-Porträt

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