Ministerpräsident Markus Söder steht während einer TV-Runde neben seinem Vize Hubert Aiwanger
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Ministerpräsident Markus Söder steht während einer TV-Runde neben seinem Vize Hubert Aiwanger

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Muskelspiele und Sticheleien: CSU und Freie Wähler nach der Wahl

"Mädchenhaftes Auftreten", "keine Selbstüberschätzung": CSU und Freie Wähler markieren nach der Landtagswahl ihr Revier. Söder und Aiwanger treten beide selbstbewusst auf – die Verhandlungen könnten ungemütlicher werden als 2018. Eine Analyse.

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Die politischen Partner kamen sich schon bei der Terminfindung in die Quere. Nachdem die Freien Wähler vergangene Woche die Einladung zu ihrer Pressekonferenz an diesem Montag verschickt hatten, wurde klar: Sie hatten die gleiche Uhrzeit gewählt wie die CSU. Ein paar Stunden später folgte die Korrektur: Aufgrund "einer Zeitüberschneidung mit der Pressekonferenz einer anderen Partei" wurde der Freie-Wähler-Termin um zwei Stunden vorverlegt.

Wie nachgiebig die Freien Wähler bei den nun anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der CSU sein werden, bleibt abzuwarten. FW-Chef Hubert Aiwanger tritt auf der Pressekonferenz am Vormittag jedenfalls sehr selbstbewusst auf und schickt deutliche Botschaften an den CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Dessen Antwort fällt kurz darauf nicht minder klar aus. Zwar wollen beide Parteien weiter miteinander koalieren, am Tag nach der Wahl aber liefern sie sich ein öffentliches Fernduell. Der Wettstreit um Posten und Ministerien hat begonnen.

"Nicht ewig Wunden lecken"

Aiwanger drückt aufs Tempo. Der Landesvorstand der Freien Wähler habe den einstimmigen Entschluss gefasst, "dass wir unverzüglich Koalitionsverhandlungen mit der CSU aufnehmen wollen", sagt der bayerische Wirtschaftsminister. Die Christsozialen sollten nun "nicht ewig Wunden" lecken, sondern ab sofort in Sachgespräche eintreten.

Die CSU kam bei der Landtagswahl am Sonntag auf 37,0 Prozent – ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950. Die Freien Wähler legten 4,2 Punkte zu, auf ihren Rekordwert 15,8 Prozent.

Für die Freien Wähler ist laut Aiwanger klar: "Wir sind der Wahlsieger dieser Landtagswahl in dieser Bayern-Koalition." Er wundere sich daher schon über einige Aussagen in der CSU, "wie man unser Ergebnis runterrechnen will".

"Gut zugelegt" oder "Anspruch nicht ableitbar"?

Am frühen Morgen schon hatte Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl im BR-Interview betont, dass seine Partei "gut zugelegt" habe, während die CSU auf der Stelle trete. Somit habe sich schon etwas verschoben im bürgerlichen Lager. "Und diese Verschiebung, die muss sich natürlich auch im Kabinett abbilden. Darüber werden wir mit unserem Koalitionspartner reden müssen." Streibl gab sich siegesbewusst: "Wir werden darauf bestehen und wir werden es auch bekommen."

CSU-Generalsekretär Martin Huber dagegen betonte im BR-Interview: "Ein Anspruch auf ein weiteres Ministerium ist durch das Ergebnis nicht ableitbar." Schon bevor der CSU-Vorstand am Vormittag in München zusammentritt, wird also klar: Die Zugewinne der Freien Wähler bei einem leichten Minus der CSU sorgen für Unmut bei den Christsozialen. Namhafte CSU-Politiker fordern eine härtere Gangart im Umgang mit den Freien Wählern. CSU-Vize Manfred Weber mahnt, "die FW nicht mehr ausschließlich mit Samthandschuhen" anzufassen, man müsse sich stärker von ihnen abgrenzen. Für den CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel ist die "Schonzeit" für die Freien Wähler vorbei.

Im Video: Markus Söder im Interview

Söder im BR-Interview
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Söder im BR-Interview

Aiwanger: "Nicht die Plakatiertruppe der CSU"

Aiwanger zeigt sich irritiert über die Wortmeldungen aus der CSU. "Das liegt jetzt zunächst mal an der CSU, was sie sich unter Abgrenzung von den Freien Wählern vorstellen", sagt er. "Da wünsche ich viel Spaß dabei." Er wundere sich schon sehr darüber, dass er für das schlechte Wahlergebnis der CSU verantwortlich gemacht werde. "Ich bin ja nicht die Plakatiertruppe der CSU." Vielmehr seien die Freien Wähler eine eigenständige Kraft. "Ich würde der CSU jetzt empfehlen, nicht zu mädchenhaft aufzutreten. Die sind in der Vergangenheit mit uns auch nicht sehr zimperlich umgegangen."

Inhaltlich sieht der Freie-Wähler-Chef "nichts Unüberwindbares" bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen. Mit Blick auf die Forderung nach einem zusätzlichen Ministerposten für seine Partei sagt er: "Wenn Sie ausrechnen, wie die Wahlergebnisse sind, dann glaube ich auch, dass jeder ausrechnen kann, wie viele Ministerien uns zustehen."

Wählerwanderung eindeutig – Söder verschärft Ton

Auch die Wählerwanderung zeigt, dass der CSU mit den Freien Wählern eine echte Herausforderung erwachsen ist. Rund 260.000 Menschen wählten dieses Mal die Freien Wähler, nachdem sie bei der Landtagswahl vor fünf Jahren noch für die Christsozialen gestimmt hatten. Dass führende CSU-Vertreter wie Landesgruppenchef Alexander Dobrindt jetzt auf mehr Wettbewerb zwischen beiden Parteien drängen, hängt nicht zuletzt mit diesen Zahlen zusammen.

Während die Freien Wähler ihr dickes Plus als Bestätigung für eine bürgernahe Politik verstanden wissen wollen, hat der Zuwachs laut Söder "nichts mit Substanz und Inhalt zu tun". Vielmehr seien die Ergebnisse eine Folge der Flugblatt-Affäre gewesen, sagt Söder nach der CSU-Vorstandssitzung. Seine Partei wolle die bisherige Koalition fortsetzen. "Aber, Achtung: seriös! Ich rate allen, auf dem Teppich zu bleiben, keine Selbstüberschätzung betreiben, sondern vernünftig zu sein, die Größenverhältnisse zu realisieren." Die Richtlinienkompetenz bleibe beim Stärkeren, beim Ministerpräsidenten. "Die CSU ist die entscheidende politische Kraft." Dem Freie-Wähler-Che rät der CSU-Vorsitzende, nicht "pubertär zu agieren".

Die CSU wird Söder zufolge mit den Freien Wählern vorab auch "grundsätzliche Fragen" besprechen – zum Beispiel ihren Standort im Parteiensystem. "Wir werden die Freien Wähler natürlich noch stärker an ihren bisherigen Leistungen messen müssen." Mit Blick auf Aiwangers umstrittenes Zitat, man müsse sich die Demokratie zurückholen, betonte Söder: "Seit Erding haben sich die Freien Wähler Stück für Stück verändert. Deshalb verändert sich auch die Zusammenarbeit." Angesichts von Aiwangers bundespolitischen Ambitionen will Söder auch klären, "ob alle bereit sind, eine volle Legislaturperiode zu arbeiten".

Migrationspolitik im Fokus

Einig sind sich Söder und Aiwanger jetzt schon, dass sie die Migrationspolitik verstärkt in den Fokus rücken wollen – auch angesichts der erstarkten AfD in Bayern. Die Berliner Ampel-Regierung habe sich einer Lösung der Migrationsproblematik komplett verweigert, beklagt der CSU-Chef. Das führe dazu, dass sich das Thema leichter instrumentalisieren lasse. "Wir müssen die AfD stellen, wir müssen die AfD bekämpfen", sagt Söder. Das gehe zum einen dadurch, dass man sich nicht anbiedere, zum anderen, dass man die Probleme löse. Daher sei eine "tatsächliche Umkehr der bisherigen Asylpolitik in Deutschland nötig".

Aiwanger mahnte schon am Morgen im BR-Interview, das Thema Migration könne "man nicht weglächeln". Bayern müsse hier seiner Meinung nach "vorangehen" und beispielsweise mit einer "Karte für Flüchtlinge" von Geld- auf Sachleistungen umstellen. Später legt er nach: Die Freien Wähler wollten sich "keine Denkverbote verpassen lassen, was man in Bezug auf Flüchtlinge alles nicht sagen dar und wie toll man all diese illegale Migration finden muss, was der Bürger ganz anders sieht".

Der Umgang mit der AfD, der Umgang miteinander: CSU und Freie Wähler haben kurz nach der Wahl klargemacht, wie sie sich die kommenden Wochen vorstellen. Und Muskelspiele gehören vor Koalitionsverhandlungen dazu. Aber nach dem heutigen Tag dürfte auch klar sein: So reibungslos wie 2018 dürften die beiden Partner dieses Mal nicht zusammenfinden.

Im Video: BR-Reporter Julian von Löwis zur Landtagswahl

BR-Reporter Julian von Löwis
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BR-Reporter Julian von Löwis

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