Hubert Aiwanger im Interview mit BR-Reporter Tobias Hildebrandt
Bildrechte: BR.de

Hubert Aiwanger im Interview mit BR-Reporter Tobias Hildebrandt

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Aiwanger: Keine Erinnerung an Hitlergruß und Juden-Witze

Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger wehrt sich gegen neue Vorwürfe: "Ich bin weder Antisemit noch Extremist." Dass er laut Ex-Mitschülern in seiner Jugend den Hitlergruß gezeigt und Juden-Witze erzählt haben soll, sei ihm "nicht erinnerlich".

Über dieses Thema berichtet: Nachrichten am .

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat kein Verständnis für Vorwürfe wegen seines Verhaltens als Schüler. Seit dem Erwachsenenalter sei er kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund, sagte er vor Journalisten. Dafür könne er "alle Hände ins Feuer legen". In der Jugendzeit könne vielleicht "das eine oder andere so oder so interpretiert werden", über die Vorwürfe wundere er sich aber und er müsse den Kopf schütteln. Auf die Nachfrage des BR-Reporters Tobias Hildebrandt, ob er als Schüler den Hitlergruß gezeigt und Juden-Witze erzählt habe, sagte der Minister: "Ist mir auf alle Fälle nicht erinnerlich."

Viele Menschen haben laut Aiwanger kein Verständnis für diese "Kampagne" gegen ihn. Sie sagten überwiegend: "Das kann doch nicht sein, dass man mit Dingen konfrontiert wird, die so lange her sind."

Vorwürfe von Schulkameraden

Nachdem es tagelang nur anonyme Vorwürfe gegen Hubert Aiwanger gegeben hatte, äußerte sich am Dienstagabend im BR-Interview erstmals ein Ex-Mitschüler offen vor der Kamera: Aiwanger habe damals Hitler imitiert und Juden-Witze erzählt, erinnerte sich Mario Bauer.

Ein weiterer Schulkamerad berichtete BR24, Hubert Aiwangers politische Haltung sei "damals auf jeden Fall deutlich rechts der CSU angesiedelt und von nationalsozialistischem Gedankengut geprägt" gewesen. Rund um einen KZ-Gedenkstätten-Besuch bei einer Klassenfahrt habe Aiwanger "einen Witz über Juden gemacht", der "mir als sehr abstoßend in Erinnerung geblieben ist".

Aiwanger: "Situation ist ernst"

Die neuen Vorwürfe sind laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch in den Fragenkatalog eingeflossen, den Aiwanger beantworten soll. Es dürfe kein Verdacht übrig bleiben, alle Fragen müssten zweifelsfrei geklärt werden, sagte Söder. Die 25 Fragen seien dem Vize-Ministerpräsidenten mittlerweile übermittelt worden.

"Ja, ich habe die Fragen", bestätigte Aiwanger. Er schaue sie sich nun genau an. Dass "dieses eine oder einige wenige Blätter in meiner Schultasche gefunden wurden und alles andere, ist ja entsprechend bereits kommuniziert". Auf die Frage, wie sein Verhältnis zu Söder aktuell sei, sagte der Minister: "Natürlich ist die Situation sehr ernst und wir müssen uns die Sache genau anschauen und müssen uns gemeinsam mit dem Thema auseinandersetzen."

Freie Wähler stellen sich hinter Aiwanger

Am Wochenende hatten Vorwürfe gegen Aiwanger im Zusammenhang mit einem den Holocaust verharmlosenden Flugblatt aus seiner Schulzeit ein landespolitisches Beben ausgelöst. Zwar bekannte sich anschließend Aiwangers Bruder Helmut dazu, Verfasser des Papiers gewesen zu sein. Noch immer steht aber zumindest eine Beteiligung von Hubert Aiwanger im Raum. Schließlich hatte die Schule gegen ihn vor 35 Jahren ein Disziplinarverfahren angestrengt, nachdem in seiner Schultasche ein oder mehrere Exemplare gefunden worden waren, wie er selbst einräumte. Ob er es verteilt hat, daran erinnert er sich nach eigenen Angaben nicht mehr.

Die Spitzen von Partei und Landtagsfraktion der Freien Wähler stellten sich bei einer Krisensitzung in München erneut hinter ihren Parteichef. Rücktrittsforderungen seien lachhaft, sagte die bayerische FW-Generalsekretärin Susann Enders. In einer Mitteilung beklagten die Freien Wähler, sie seien "einer steigenden Zahl von politischen Angriffen ausgesetzt - derzeit massiv unter der Gürtellinie". Letztendlich entscheidend sei der Wählerwille, nicht "eine Kampagne aus Schmutzeleien".

Rückendeckung für Aiwanger kam auch vom Landesvorstand der Jungen Freien Wähler in Bayern. "In unserer jahrelangen Zusammenarbeit können wir nie von hasserfüllten Äußerungen oder antisemitischen Tendenzen berichten." Daher wehre man sich vehement gegen jegliche Vorverurteilungen, Diffamierungsversuche, Spekulationen und Hetzkampagnen.

Türkische Gemeinde stellt Zusammenarbeit mit FW ein

Die liberal orientierte Türkische Gemeinde in Bayern zog Konsequenzen aus den Anschuldigungen gegen Aiwanger: Die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern werde eingestellt, solange die schwerwiegenden Vorwürfe gegenüber ihrem Parteivorsitzenden nicht vollständig ausgeräumt seien und er sich transparent und vollständig zu seiner Vergangenheit äußere.

Die Regionalgruppe Süd der "Nachkommengruppe NS-Verfolgter" wandte sich mit einem offenen Brief an Aiwanger. "Sie wissen nicht mehr genau, ob Sie damals in der Schule das Flugblatt verbreitet haben, das übervoll ist mit Hass." Dieses Pamphlet beleidige und verletze Angehörige von Opfern des Nationalsozialismus zutiefst, "heute wie vor 35 Jahren". Die Gruppe fordert Aiwanger dazu auf, zu bekennen, dass seine Familie und er zu denen gehörten, "die anfällig sind für Antisemitismus", und sich einer Diskussion über "dieses peinliche Thema zu stellen".

Das BR24live zum Fall Aiwanger zum Nachschauen:

29.08.2023, Bayern, Steinbrünning: Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister von Bayern, hält am Politischen Abend auf dem Herbstfest Steinbrünning eine Rede. Die Freien Wähler präsentieren ihr Wahlprogramms und stellen die Land- und Bezirkstagskandidaten vor. Foto: Tobias C. Köhler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Tobias C. Köhler
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Politischer Abend mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!