Familienfernsehen - ein
Programm für alle und niemand?
Programmverantwortliche
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Matthias Alberti
Bereichsleiter Unterhaltung, RTL Television,
Köln
Als Vollprogramm zielt RTL
auf ein breites Publikum – mit einer gewissen Betonung bei den 14-
bis 49-Jährigen, auf die sich die Werbewirtschaft konzentriert.
Mit "Wer wird Millionär?" hat RTL ein Format etabliert, das
mit seiner immensen Anziehungskraft ganze Familien vor dem Fernseher
versammelt. Doch machen wir uns nichts vor: Das ist die Ausnahme.
Längst gibt es in immer mehr Haushalten mindestens zwei Fernsehgeräte.
Damit ist die Voraussetzung geschaffen, dass immer mehr Zuschauer
die fast einmalige Angebotsvielfalt im deutschen Fernsehen individuell
nutzen können. Für uns Programm-Macher bleibt der Ansporn,
trotz der hohen Wettbewerbsdichte ein möglichst großes
Publikum zu erreichen. Konturenlosigkeit können wir uns dabei
nicht leisten, denn die straft das Publikum durch Nichtachtung ab.
Kristina
Faßler
Leiterin Kommunikation, SAT.1, Berlin
In den Programmschemata der
Sender, zumindest kann ich das mit Sicherheit für SAT.1 sagen,
taucht der Begriff Familienfernsehen nicht auf. Den Begriff Familienprogramm
verwenden wir jedoch häufig und halten ihn auch für richtig.
Hiermit sind keinesfalls einzelne Sendungen gemeint, sondern das
Angebot des Senders SAT.1 in der Gesamtheit. Wir machen ein Programm
für wechselnde Mehrheiten und erreichen mit verschiedenen Sendungen
dann im besten Fall die ganze Familie.
Die Stärke eines Familien-Vollprogramms
muss nach unserer Aufassung darin liegen, dass die Interessen der
verschiedenen Generationen, Geschlechter und relevanten Interessengruppen
punktgenau mit bestimmten Angeboten getroffen werden. Wenn man den
Begriff des Familienprogramms lockerer fasst, sind es sicher zuallererst
die Quizshows, Serien wie "Kommisar Rex" oder auch große Spielfilme
wie "Die Hochzeit meines besten Freundes", die sich hier einordnen
ließen. Also Programme, die ein breites Publikum ansprechen
und damit verschiedene Interessengruppen. Die heutigen sehr differenzierten
Sehgewohnheiten sollte man nach unserer Meinung positiv sehen. Sie
spiegeln eine größere Freiheit und Toleranz, weniger
Zwang und einen entspannteren Umgang der Generationen untereinander
sowie innerhalb der Familie wider.
Siegmund Grewenig
Leiter PG Kinder- und Tagesprogramme, Westdeutscher
Rundfunk Fernsehen, Köln
- Solange die technische Erreichbarkeit
des Kinderkanals nicht zu 95% gegeben ist, gehört Kinderprogramm
mit den Bausteinen Information, Bildung und Unterhaltung zu den
wesentlichen Bestandteilen einer öffentlich-rechtlichen Grundversorgung
der ARD.
- Da allerdings in allen Vollprogrammen
die Einschaltquote immer an der Gesamtzuschauerschaft ausgerichtet
ist und nicht an der Zielgruppe, liegt die Zukunft des Kinderprogramms
in den Spartenkanälen.
- Nur wenn es gelingt, das Kinderprogramm
auch für Erwachsene interessant zu machen, wird es im Vollprogramm
überleben. Deshalb liegt die Zukunft des Kinderprogramms
im Familienfernsehen.
- Mit gutem Familienprogramm kann das öffentlich-rechtliche
Fernsehen eine seiner Stärken entwickeln: integrativ zu wirken
und generationenübergreifendes Programm anzubieten, Family
Entertainment eben.
- Familienprogramm gibt es in allen Genres:
im Fernsehfilm, in der Serie, in der Unterhaltung, im Sport, im
Informationsprogramm. Es vereinigt alles, was kleine und große
Kinder (= Erwachsene ) interessiert: Emotionen mit Happy End,
Abenteuer, Liebe, Lachen, am besten mit Protagonisten mit großem
Identifikationspotenzial.
- Gutes Familienfernsehen zeichnet aus,
dass es es versteht, eine gelungene Mischung aus Ritual und Ereignis
zu schaffen: "Die Sendung mit der Maus" und "Wetten, dass...?"
sind in diesem Sinne ideales Fernsehen.
- Die Aufgabe der Abteilungen Familienprogramme
wird es sein, aus der Perspektive der Kinder attraktives Programm
für die ganze Familie zu entwickeln. Unabdingbare Voraussetzung
für den Erfolg sind Sendeplätze, die auch für die
ganze Familie attraktiv sind.
Birgit Guth
Leiterin der Medienforschung und Jugendschutzbeauftragte
bei Super RTL, Köln
Seit Sendestart 1995 hat
sich Super RTL auf seine Fahnen geschrieben, zu jeder Tageszeit
ein familiengerechtes Programm anzubieten. Für uns bedeutet
dies, dass unsere Inhalte frei von Sex und der Darstellung von roher
Gewalt sein sollen.
Sechs Jahre später stehen
wir immer noch zum Konzept des Familienfernsehens, sehen es aber
ein wenig differenzierter. Umfangreiche qualitative Untersuchungen
haben uns gezeigt, dass Familienfernsehen eine Form von Fernsehen
in der Familie ist. Die zunehmende Individualisierung und die bessere
Ausstattung von Haushalten mit Zweit- und Drittfernsehern ermöglichen
es Kindern aber auch, ihr eigenes Programm zu wählen und ungestört
zu schauen. Aus diesem Grund passten wir das Programmschema an die
Nutzungsgewohnheiten in den Familien an. Tagsüber, wenn die
Kinder überwiegend alleine schauen, zeigen wir Programm, das
sich vor allem an Kinder richtet. Ab 18 Uhr bieten wir dann hochwertige
Zeichentrick-Serien, die einerseits den Kindern, andererseits aber
auch den Erwachsenen gut gefallen. Und der Abend schließlich
bietet Spielfilme, Specials und Serien, die den immer noch in der
Familie vorhandenen Wunsch nach einem gemeinsamen Fernseherlebnis
erfüllen.
Ich bin der Meinung, dass
es Familienfernsehen immer geben wird. Es ermöglicht familiäre
Zusammenkünfte, bei denen jedes Familienmitglied auf seine
Kosten kommt. Und wenn man an bestimmte Angebote, wie Disney-Filme,
Komödien etc. denkt, so vermag das Fernsehen in der Familie
auch eine "selige" Atmosphäre familiärer Geborgenheit
zu erzeugen. Dazu beitragen können z.B. Spielfilme wie "Ein
Schweinchen namens Babe", "Familie Feuerstein", "Die Wüste
lebt"; Serien wie "Die Dinos", "Der rosarote Panther", "Liebling,
ich habe die Kinder geschrumpft" und Specials wie "Winni Puuh",
"Peanuts"," Muppets", "Muttertag".
Ulrike Häfner
Redaktionsleitung Kinderprogramm, Südwestrundfunk
Fernsehen, Stuttgart
Familienfernsehen ist, wenn
Programme zum Ereignis werden und Alt und Jung gleichermaßen
vor den Bildschirm locken. Voraussetzung ist jedoch nicht mehr das
gemeinsame Erlebnis vor dem Bildschirm, sondern die Wirkung über
die Sendung hinaus.
Solche Programme sind zwar
meistens für eine bestimmte Kernzielgruppe konzipiert, lassen
jedoch für jedes Alter genügend Beteiligungs- bzw. Identifikationsmöglichkeiten,
um sukzessive die Kernzielgruppe in alle Richtungen zu erweitern.
Die Bandbreite für erfolgreiches Familienfernsehen 2000 reicht
von "Die Sendung mit der Maus" (ARD) über fiktionale Programme
wie "Unser Charlie" (ZDF) bis zur Show "Wetten, dass...?"(ZDF) oder
"Wer wird Millionär?"(RTL). Sendungsinhalte werden zum Gesprächsthema
in der Familie, auf den Schulhöfen und bei der Arbeit; sie
fördern die Kommunikation und suggerieren ein gemeinsames Indoor-Erlebnis.
Wichtige Rahmenbedingungen
für das Familienfernsehen sind feste Sendeplätze, "ideale"
Sendezeiten, die es Schulkindern, Berufstätigen, Hausfrauen,
-männern und Rentnern gleichermaßen erlauben, sich vor
den Fernseher zu setzen.
Im Zeitalter der Digitalisierung
und immer weiteren Verspartung der Kanäle steigt die soziale
Bedeutung solcher Programme.
Joachim Lang
Redaktionsleitung "Tigerenten Club", Südwestrundfunk
Fernsehen, Stuttgart
Das Wort "Familienprogramm"
kann für Vieles stehen. Die Spielfilme, die an Feiertagen nachmittags
über den Bildschirm flimmern, die Shows, die besonders samstags
die Familie vor dem Fernseher versammeln, und die Kindersendungen,
bei denen die Erwachsenen genauso viel Spaß haben wie die
Kinder. Jeder Programm-Macher, der mehr möchte als nur eine
Zielgruppe erreichen, wird für sich in Anspruch nehmen, Familienprogramm
zu machen.
Für mich persönlich
bedeutet Familienprogramm aber mehr, als nur verschiedene Altersklassen
vor dem Bildschirm zu vereinigen. Es heißt, die Generationen
miteinander ins Gespräch bringen. Und nach dieser Definition
sind besonders zwei Formen klassisches Familienprogramm: Zum einen
die wiederentdeckten Quizshows. Diese Sendungen selber sind Auslöser
aktiver Familienunterhaltung, denn alle raten mit, debattieren über
die Quizfragen und den jeweiligen Gemütszustand der Kandidaten.
Zum anderen Sendungen mit Magazincharakter, die unterschiedliche
Elemente in sich vereinigen und dazu anregen, zu diskutieren und
zu spielen. Der "Tigerenten Club" ist sicher ein gutes Beispiel
für diese Form des Familienprogramms.
Familienprogramm, das diesen
Kriterien entspricht, hat auch in der heutigen Zeit seine Berechtigung
und wird, wie die Quoten zeigen, auch immer seine Zuschauer finden.
Britta-Susann Lübke
Redaktionsleiterin Familienprogramm, Radio Bremen
Fernsehen
Die Sendungen Radio Bremens
für das ARD-Familienprogramm waren in den 70er Jahren geprägt
vom kritischen Zeitgeist und erregten Aufsehen, wie die Jugendsendung
"IN", wo junge Menschen sich kritisch zu den gesellschaftlichen
Verhältnissen äußern konnten – damals ungewöhnlich
und bei der Brisanz der Diskussionen auch mutig: in einer Live-Sendung.
Die Nachfolgereihe "Nicht
so passiv wie man denkt" stellte in 45-Minuten-Filmen soziale und
politische Initiativen vor, wie die ersten Frauenhäuser oder
Gruppen gegen Gewalt. Dann widmete sich Radio Bremen der Aufgabe,
an einem neuen Bewusstsein über Frauen in der Gesellschaft
mitzuwirken: durch die Porträtreihe "Frauengeschichten", in
der ungewöhnliche Lebenswege und besondere Biographien von
bekannten und unbekannten Frauen nachgezeichnet wurden, etwa die
Journalistin Carola Stern, die Psychologin Annelie Keil, oder die
Schauspielerin Kristina Söderbaum. In den 90er Jahren veränderte
sich die Ausrichtung des Familienprogramms grundlegend. Auch am
Nachmittag sollten die ARD-Zuschauerzahlen gesteigert werden, statt
sozialkritischer Filme waren eher unterhaltende Programme gefragt.
So entwickelte Radio Bremen zusammen mit dem Hessischen Rundfunk
die Reihe "höchstpersönlich", die seit 1994 im Programm
ist. Bisher sind über 260 Porträts über prominente
Schauspieler, Stars der Musikszene und Sport-Idole gesendet worden.
Die Ausrichtung auf Prominenz ist ein Tribut an die Quote, und dennoch
hat die Reihe den Anspruch, nicht das klischeehafte Image der Protagonisten
zu reproduzieren, sondern den privaten Menschen zu zeigen, seinen
Lebensweg, Erfolge und Krisen, menschliche Stärken und Schwächen,
sein familiäres Umfeld, hautnah und ungeschminkt. Über
eine Million Zuschauer pro Sendung zeigen, dass die "höchstpersönlichen"
Filme genau deshalb großes Interesse finden.
Dr. Michael Meyer
Leiter Familienprogramm, Saarländischer
Rundfunk Fernsehen, Saarbrücken
Familie ist, wenn
mindestens ein Kind und eine Mama und/oder ein Papa eine Lebensgemeinschaft
bilden.
Familienfernsehen
ist, wenn Familien fernsehen (mein großer Freund Müntefering
möge mir diesen Ideenklau verzeihen...) - also dann, wenn mindestens
ein Kind und ein verwandter Erwachsener (bei ARD und ZDF werden
dies oft auch Oma und/oder Opa sein) gemeinsam eine Fernsehsendung
anschauen: ein Familienprogramm.
Nun finden sich in den meisten
Landesrundfunkanstalten Abteilungen, die sich Familienprogramm
nennen. Die von diesen Abteilungen produzierten Sendungen können
aber nur selten als Familienfernsehen im oben definierten
Sinn bezeichnet werden.
Ausnahmen bilden da lediglich
die an den Wochenenden ausgestrahlten Kinderprogramme: Vor
ihnen sitzen gelegentlich auch Kleinfamilien, bei besonders erfolgreichen,
wie der "Sendung mit der Maus", manchmal auch größere
Familienverbände.
Eine der Konsequenzen aus
dieser Feststellung lautet: Würde die ARD, wie immer häufiger
zu vernehmen ist, auf ihr Kinderprogramm im "Ersten" verzichten
bzw. dasselbe ins Exil des "Kinderkanals" vertreiben, hätte
sie den öffentlich-rechtlichen Auftrag, ein dezidiert integratives
Familienfernsehen anzubieten, sträflich verfehlt.
Familienfernsehen
fände dann nur noch beim einen oder anderen Spielfilm, an Tagen
mit großen Sportübertragungen oder bei Sendungen à
la "Wetten, dass...?" statt. Ob sich die ARD eine solche Entscheidung
leisten kann?
Nicolas Paalzow
Geschäftsführer der ProSieben Television
GmbH, Unterföhring
Dem Familienfernsehen einen
Konturenverlust nachzusagen, ist sicher falsch. Zutreffender ist,
dass sich die Auswahlmöglichkeiten durch die Vielzahl der empfangbaren
Sender verändert haben. Das Angebot ist umfangreicher geworden
und darauf ausgelegt, die individuellen Wünsche der Zuschauer
bzw. Familien zu befriedigen. Familienfernsehen ist heute Show,
Spielfilm-Highlight, Serie oder Dokumentation. Für jedes Unterhaltungs-
oder Informationsbedürfnis gibt es das entsprechende Angebot,
und das an jedem Tag der Woche.
Dass sich die Familienstrukturen
in den letzten drei Jahrzehnten durch Rahmenbedingungen wie flexiblere
Arbeitszeiten und die Berufstätigkeit beider Eltern verändert
haben, ist richtig. Richtig ist auch, dass dem individuellen Interesse,
dem individuellen Geschmack und dem individuellen Freizeitverhalten
durch das große Angebot auf dem Fernsehmarkt Rechnung getragen
wird. Trotzdem gibt es heute noch immer Programme, die die ganze
Familie vor dem Bildschirm versammeln: ob "Wer wird Millionär?"
bei RTL, "Wetten, dass...?" beim ZDF, der Zweiteiler "Der Tunnel"
bei SAT.1 oder internationale Spielfilm-Highlights wie "Der Mann
in der eisernen Maske" und "Deep Impact" bei ProSieben. Aber auch
Magazine wie "Welt der Wunder" oder "Galileo" stehen im 21. Jahrhundert
für modernes Familienprogramm.
Für mich ein deutliches
Zeichen, dass das Familienprogramm 2001 seine Berechtigung nicht
verloren hat. Bedingt durch die größere Auswahl sind
aber die Zeiten für einen Marktanteil von 70 bis 80 Prozent
bei allen Zuschauern vorbei. Dieses Ergebnis erreicht nicht einmal
mehr das Endspiel der Fußball-WM.
Sabine Preuschof
Ressortleiterin Gesellschaft, Kultur und Familie
sowie Redaktionsleiterin Familienprogramm, Ostdeutscher Rundfunk
Brandenburg Fernsehen, Potsdam
Als ich klein war, hatten
wir noch keinen Fernsehapparat. Meine ersten Fernseherlebnisse waren
Eiskunstlaufübertragungen. Mein Vater liebte Eiskunstlauf und
so durften wir Kinder mitgucken. Auch abends. Das war dann eine
Belohnung und ich werde diese gemeinsamen Fernsehabende nie vergessen.
Der Apparat stand übrigens im Schrank, den ich allein nicht
öffnen durfte, obwohl ich schon zwölf Jahre alt war.
Als meine Kinder heranwuchsen,
stand unser Fernsehapparat auch im Schrank. Unsere ersten gemeinsamen
Fernsehabende waren Filme mit Bud Spencer und Terence Hill. Unser
Sohn hat jedesmal so herzhaft gelacht, dass sich die ganze Familie
auf die nächsten Filme freute. Fernsehen war ein Familienereignis.
Heute bin ich Redaktionsleiterin
für Familienprogramme im ORB-Fernsehen. Sicher hat sich die
Struktur unserer Gesellschaft in den Jahrzehnten stark verändert.
Sicher gibt es Fernsehprogramme, die von den Kindern heiß
geliebt werden und bei den Eltern nur ein unverständliches
Kopfschütteln hervorrufen. Und ganz sicher wissen viele Eltern
gar nicht, was ihre Kinder sich so ansehen.
Aber wenn es Angebote für
die ganze Familie gibt, werden sie auch genutzt. Prototyp für
Familienfernsehen ist heute wohl "Wer wird Millionär?". Günther
Jauch als Freund von Generationen. Er vereint gespalten geglaubte
Familien vor dem Bildschirm.
Solche Phänomene kann
man sonst nur an Sonn- und Feiertagen bei besonderen Spielfilmen
oder Unterhaltungssendungen erleben (z.B. "Flimmerstunde"). Und
in der Weihnachtszeit. Das ist dann die Stunde auch unserer Familienredaktion.
Immer konsequenter setzen wir an den Advents- und Weihnachstnachmittagen
Angebote für die ganze Familie ein (z.B. "Märchenrätsel").
Wenn wir dann die alten russischen Märchenfilme oder die DEFA-Klassiker,
die schon die Oma kannte, anbieten, kommen begeisterte Dankesbriefe.
Dann hat die Redaktion das
Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Familienprogramm funktioniert,
solange Angebote zu guten Sendezeiten gemacht werden.
Prof. Dr. Tilman Steiner
Leiter Redaktion Familie und Gesellschaft, Bayerisches
Fernsehen, München
Familienfernsehen - was ist
das? Die vagen Vorstellungen hierüber finden ihre Entsprechung
in den so firmierenden Programmleisten und Formaten aller Sender.
Galt in den 50er und 60er
Jahren die Metapher "das Fernsehen sprengt den Familienkreis zum
Familienhalbkreis auf" als zitabel, so könnte man heute eine
Auflösung der Familienstrukturen durchaus in Beziehung setzen
zur Ausstattung der Wohnungen mit Empfängern: Das Einkind lugt
durch schützende Kissen auf Monster Jason mit seiner Axt, der
Vater im Wohnzimmer fiebert bei der Formel 1, Mutter schlüpft
gerade bei "Rosamunde Pilcher" unters Seidenplumeau, Oma in der
Kellerwohnung nickt bei den "Pokémons" ein - Familienfernsehen.
Macht das gemeinsame Sehen
Fernsehen zum Familienereignis? So war das bei "Spiel ohne Grenzen".
So ist’s manchmal noch bei "Wetten, dass...?" - vielleicht das einzige
Familienprogramm in diesem Sinn. Nicht einmal die Fußball
WM 2002 wird die Familie versammeln; sie erreicht vormittags gerade
einmal die Mütter im Erziehungsurlaub.
Wären da nicht die höchsten
Richter im Land, die eine trendorientierte Politik zur (Verfassungs-)
Ordnung rufen, damit Familie in der Ellbogengesellschaft noch überleben
kann, würde die Preisfrage "Familie" langfristig scheitern.
Auch im Programm.
In der beschriebenen Situation
kann Familienprogramm dem Wert "Familie" nur helfen, wenn es die
Familie heute auch thematisiert. Deshalb erarbeitete die Redaktion
Familie und Gesellschaft des Bayerischen Fernsehens in den letzten
Monaten für den "FamilienNachmittag" (jeden Samstag von 13.00
bis 16.00 bzw. 17.00 Uhr) ein Konzept, das einerseits der Familie
Service bietet, was ja gerade vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk
erwartet wird, und andererseits als Kontrapunkt zur Passivität
der Fernsehnutzung ein aktivierendes Element hereinbringt. "Rätselbildern"
nachzuspüren oder gemeinsame Unternehmungen in der Familie
gerade außerhalb der Fernsehstuben sind ein Ziel.
Die Reihe "Familie leben!"
bietet vier Entdeckungsreisen: "Partner entdecken" will angesichts
der labilen Lebensabschnittsgemeinschaften zur Bindungsfähigkeit
ermuntern, "Familie entdecken" will situativ und packend bei Erziehungsfragen
helfen. "Gesundheit entdecken" und "Lernen entdecken" bieten unterhaltsam
Wissen und Impulse, die vielleicht für die Zukunft der Familie
entscheidend sein können. Diese vier Reihen, je Folge 15 Minuten,
eine Folge an einem "FamilienNachmittag", sollen zusammen mit Zeitschriften
wie "Eltern", "Natur", "Psychologie heute", einem Schulbuchverlag
und anderen Zweitverwertern als repertoirefähig lange Zeit
wirksam sein können.
Solche die Familie thematisierenden
Inhalte sind als Innovation eine Ergänzung zu den weitgehend
archivgespeisten Elementen des attraktiv aufbereiteten Angebots.
Neben den bewährten Tieren und Landschaften begegnen wir vor
allem Menschen. Franx Xaver Gernstl trifft sie unterwegs auf seine
hinterkünftig neugierige Art und bringt uns ihre Eigenheiten
und Anliegen nahe.
Unsere Zuschauer schätzen
auch Quotenbringer wie die Reihe "Der Letzte seines Standes?", weil
Authentizität, Nähe und Tradition Wesenselemente fürs
Familienprogramm von heute darstellen.
Sandro Viroli
Programmchef Familien-/Tagesprogramm, Mitteldeutscher
Rundfunk Fernsehen, Leipzig
Wann und wo schaut "Familie"
womöglich noch gemeinsam Fernsehen?
Vielleicht trifft das noch
bei Formaten wie "Die Sendung mit der Maus" oder "Schloss Einstein"
zu, wenn die Kinder noch klein bzw. noch nicht erwachsen sind und
Eltern interessehalber oder aus purer Neugierde mitschauen. Dann
ist mit Familienfernsehen für lange Zeit Schluss.
Zwar bieten TV-Stationen
allerhand an, das man mit Familienfernsehen verbinden kann, aber
letztlich ist es wie mit "bio" bei Lebensmitteln: Fast jeder kann
es verwenden und keiner weiß so recht, was drin ist.
Die Zielgruppe Familie ist
m.E. nicht mehr eindeutig greifbar und entsprechend in den elektronischen
Medien wenig ansprechbar. Was den familiären TV-Konsum angeht,
zieht man sich in "seinen" jeweiligen Raum zurück und wählt
"sein" Medium. Die Teilzielgruppe Jugend sieht "ihr" Programm zwischen
Internet, CD-ROMs und den Musikkanälen, die Teilzielgruppe
Eltern zwischen Wellness-Formaten, Börsen-TV, Quiz- und so
genannten "Beschimpfformaten". Irgendwo ist es dann schon schwer,
alles in eine Sendung zu packen und "Familienfernsehen" draufzuschreiben.
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