Grünes Gehirn vor blauem Hintergrund (Symbolbild)
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Übertragbarkeit von Alzheimer – was ist dran?

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Neue Studie zur Übertragbarkeit von Alzheimer – was ist dran?

Kann Alzheimer von Mensch zu Mensch übertragen werden? Eine neue Studie aus Großbritannien legt nahe, dass dies unter bestimmten Bedingungen der Fall sein kann. Wie Fachleute die Studie einschätzen und was bisher bekannt ist.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Eines ist sicher: Ansteckend wie eine Erkältung oder eine Grippe ist Alzheimer nicht. Unter bestimmten Bedingungen könnte es allerdings zu einer Übertragung der Krankheit kommen – so lauten zumindest die Ergebnisse einer neuen Studie des University College London.

Mögliche Übertragung von Alzheimer durch Hirngewebe

Die Studie basiert auf acht Personen, denen vor über 30 Jahren Wachstumshormone gespritzt worden waren. Diese Wachstumshormone, die damals aus dem Hirngewebe toter Menschen gewonnen wurden, können sogenannte "Amyloid-β-Proteine" enthalten. Und die gelten als mögliche Ursache für Alzheimer. Amyloid-β-Proteine sind falsch gefaltete Eiweiße, die benachbarte gesunde Eiweiße anstecken können. Dadurch kommt es zu einer Kettenreaktion und im Gehirn bilden sich Verklumpungen, die typisch für Alzheimer sind.

Trug der Verstorbene, aus dem das Hirngewebe stammt, solche Proteine in sich, könnte der Patient, dem das Hormon gespritzt wurde, infolgedessen Alzheimer entwickeln – so die Überlegung der Forscher. Und tatsächlich hatten fünf der Studienteilnehmer relativ früh Anzeichen für Alzheimer entwickelt.

Zu kleine Studienzahl – Alzheimer-Diagnose nicht eindeutig

Allerdings sei die Studienzahl mit acht Personen "unglaublich wenig", gibt Christian Haass, der Leiter des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen, zu bedenken. Zudem hätten die Patienten keine klassische Form von Alzheimer entwickelt, sondern möglicherweise eine Variante davon. Entsprechend wurde auch nicht bei allen die eindeutige Diagnose "Alzheimer" gestellt.

Für Haass spricht aber dennoch einiges für eine mögliche Übertragbarkeit. Zum einen habe es ähnliche Übertragungen durch dasselbe Wachstumshormon bereits bei anderen Erkrankungen wie der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gegeben, zum anderen sei Ähnliches auch bei Tierversuchen beobachtet worden.

Weitere Untersuchungen notwendig

Etwas zurückhaltender äußert sich hingegen Michael Beekes, Leiter der Forschungsgruppe Prionen und Prionoide am Robert Koch-Institut. "Was wir haben, ist ein mosaikartiges Befundbild, das aber noch deutliche Lücken und Unsicherheiten aufweist."

Denn zusätzlich zu der nicht eindeutigen Diagnose hatten manche der Patienten auch bestimmte Vorerkrankungen. "Zwei der betreffenden fünf Personen zeigten seit ihrer Kindheit geistige Behinderungen, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das frühzeitige Auftreten einer Demenz einhergehen", erklärt er. Aus dieser Datenlage auf eine Übertragung von Alzheimer zu schließen, hält Beekes für verfrüht. Trotzdem sei es eine wichtige Studie, der man durch weitere Untersuchungen nachgehen müsse.

Tatsächliche Übertragung sehr unwahrscheinlich

Dass Alzheimer tatsächlich von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, ist also unsicher. Doch selbst wenn sich die Ergebnisse der Studie bestätigen, ist eine Übertragung sehr unwahrscheinlich. Zum einen werden diese Wachstumshormone seit über 30 Jahren nur noch künstlich hergestellt. Zum anderen gibt es bisher keine konkreten Hinweise darauf, dass diese Proteine über andere Wege übertragen werden können.

Trotzdem, sagt Beekes, sei es in der Theorie nicht ausgeschlossen, etwa bei Gehirnoperationen. Entsprechend wichtig seien deshalb intensive Hygienemaßnahmen im Krankenhaus. "Da kommt es darauf an, dass wiederverwendbare chirurgische Instrumente gut aufbereitet werden, bevor sie an einem neuen Patienten eingesetzt werden." Doch das werde bereits gemacht, erklärt er. Denn dieser Übertragungsweg spielt auch bei anderen Erkrankungen eine Rolle.

Sowohl für den Alltag beim Umgang mit Erkrankten als auch in der Klinik heißt es also erst einmal: Entwarnung. Alzheimer sei keine infektiöse Erkrankung, fasst es Haass zusammen.

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